Stößchen mit Stölzle
Zu Silvester wird in aller Welt mit Gläsern des Weißwasseraner
Herstellers angestoßen. Sie bergen ein Geheimnis.
Von Thomas Staudt
Sekt oder Selters ist zu Silvester allenfalls eine Frage, die sich
Autofahrer stellen müssen. Kein Getränk ist zum Jahreswechsel beliebter
als Schaumwein–ganz gleich ob deutscher Sekt, Cava aus Spanien oder edle
Cuvées von der Krim oder gar aus der Champagne. Die dazu passenden
Gläser liefert Stölzle Lausitz. Der Hersteller edlen Tischglases mit
Sitz in Weißwasser hat alle Jahre wieder Hochkonjunktur. Im Dezember
macht Stölzle bei Schaumweingläsern ein Viertel des Jahresumsatzes.
Die letzte Bestellung lieferte Marketingchef Klaus Völkner am Sonntag
höchstpersönlich aus. 300 Sektgläser für die Eishalle Inzell. Für
gewöhnlich bedient sich das Unternehmen einer Spedition. Wegen des
späten Auftragseingangs war das in diesem Fall nicht mehr möglich. „Ich
bin privat sowieso ganz in der Nähe“, erklärt Völkner die logistische
Sonderleistung. Der Kunde ist König.
Was Liebhaber an Schaumweinen grundsätzlich schätzen, liegt auf der
Hand. Anders als beim herkömmlichen Wein erfüllt das Prickeln feinster
Bläschen den Mund mit einem haptischen Gefühl der Frische. Dieser Genuss
ist auch optisch wahrnehmbar. Das in der Flüssigkeit gelöste
Kohlendioxid wird wieder zu Gas, sobald der Druck durch den Verschluss
weg ist. Die entstehenden Bläschen reihen sich wie Perlenketten
aneinander, steigen auf und bilden an der Oberfläche eine feine
Schaumschicht.
Trinkglashersteller haben längst den Zufall aus diesem hübschen Spiel
eliminiert. Durch einen einfachen Trick forcieren sie die
Bläschenbildung. Was ihnen hilft, ist, physikalisch gesprochen, ein
Kondensationskeim. Ein Pünktchen Materie, an der sich das gelöste Gas
bricht. Bei der Trinkglasherstellung wird dazu mit Hilfe eines Lasers
oder Bohrers ein Punkt am Boden des Glases aufgeraut. Der Fachmann
spricht vom „Moussierpunkt“ (mousse, frz. für Schaum). Er ist so winzig,
dass er bei klaren, farblosen Gläsern nur mit Mühe zu erkennen ist.
Kleine Ursache, große Wirkung. Der Moussierpunkt ermöglicht ein
kontrolliertes, anhaltendes Perlen. Bei Stölzle hatten früher nur
hochwertige Gläser die Zusatzausstattung serienmäßig. Auf Kundenwunsch
ist sie seit drei Jahren Standard. Eine Ausnahme bilden Sektschalen. Ihr
Kelch ist zu niedrig, als dass sich Bläschenbildung in nennenswertem
Umfang im Glas beobachten ließe, bevor der Effekt verpufft.
Die Jahresproduktion von geschätzt zwei Millionen Schaumweingläsern
verteilt sich bei Stölzle auf zwölf verschiedene Designlinien. Bei jeder
kann der Kunde zwischen zwei unterschiedlichen Glasformen für Schaumwein
wählen–oder beide bestellen. Die schlankere eignet sich für einfache
Sekte oder Proseccos, die bauchigere ist wuchtigem Champagner oder
gehaltvollen Winzersekten vorbehalten. Als Faustregel gilt: Je mehr
Aromen ein Schaumwein oder Wein potenziell zu entfalten vermag, desto
bauchiger das Glas. Denn die Aromen entwickeln sich im Austausch mit der
Luft. Je größer die „Atmungsoberfläche“ desto reicher das Bouquet.
Abhängig von der Form spricht der Fachmann deshalb auch von Sekt- oder
Champagnerglas. Verkaufsrenner ist bei Stölzle die Serie „Exquisit“, aus
dem mittleren Preissegment. Stielgläser aus Weißwasser fallen angenehm
durch das Fehlen eines Grates auf. Statt gepresst, wie in anderen
Verfahren, wird der Stiel bei Temperaturen über 600 Grad Celsius
gezogen.
Stölzle Lausitz verkauft noch immer hauptsächlich im B2B-Bereich, also
an andere Unternehmen. Vor allem in der Gastronomie. 2011 machte das
Unternehmen auf dem inländischen Markt allein mit Stielgläsern einen
Umsatz von 6 Millionen Euro (Gesamtumsatz: 33 Millionen). Die
Weißwasseraner exportieren über ihre Handelspartner aber längst in alle
Welt. In weiten Teilen erfreut sich das Champagnerglas größerer
Beliebtheit. „Nur Amerikaner greifen lieber zum Sektglas“, weiß Klaus
Völkner aus Erfahrung. Zum Jahreswechsel haben beide auch hier ihren
großen Auftritt. Die Deutschen konsumierten 2012 340 Millionen Liter
Schaumwein, das sind 6,6 Millionen Liter oder zwei Prozent mehr als noch
ein Jahr zuvor. Das ist Rekord. Kein Wunder. Ein Jahr lässt sich kaum
schöner beginnen als mit einem edlen Getränk in einem edlen Glas. Prosit
Neujahr! Auf 2014!
Quelle: Sächsische Zeitng,
Ausgabe Weißwasser, vom 31.12.2013
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Sindy Rentsch sorgt bei
Stölzle dafür, dass sich die Kunden wohlfühlen. Auf dem Foto
präsentiert sie ein Sektglas aus der Serie „Exquisit“. Sindy wird
Silvester natürlich nicht im Werksverkauf von Stölzle verbringen, wo
sie der SZ-Fotograf ablichtete, sondern gemütlich zu Hause auf dem
Sofa. Woraus sie dann trinkt, haben wir nicht gefragt. so viel
Privatsphäre muss sein.
Foto: A. Schulze |
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