Wenn Orpheus auf Glastradition trifft
Freitag beginnt das Lausitz-Festival mit einer spektakulären Video- und
Klang-Installation, bei der die Stadt mitspielt.
Von SaBINE LARBIG
Als Produktionsleiterin
Leonora Scheib Anfang September eine Gruppe Statisten über den Telux-Hof
in Richtung Hartglaswannengebäude führt, wissen die noch nicht, was sie
an drei Drehtagen erwartet. „Der Regisseur erklärt euch gleich alles.
Dann ist Umziehen und in etwa einer Stunde der erste Dreh. Es dauert,
wie auch die anderen Tage, bis Mitternacht. Für Verpflegung, Pausen und
Ansprechpartner bei Fragen ist gesorgt“, weist die Wienerin sie ein. Die
Regie-Assistentin ist auf Oper und Musiktheater spezialisiert, arbeitete
bereits mit Regisseur und Videokünstler Aron Kitzig zusammen. In
Weißwasser setzen sie, eine Filmcrew aus Berlin und Wien, Musiker,
Komponisten und Statisten, eine Klang-Installation um: „Zwischenwelten“
heißt das Werk fürs Lausitz-Festival.
Das Festival ist ein die brandenburgische und sächsische Lausitz
umfassendes, spartenübergreifendes Kunstfestival mit internationalem
Anspruch und Stars unterschiedlicher Genres. Bei 50 Veranstaltungen im
Zeitraum 25. September bis 16. Oktober wird der Strukturwandel im Revier
künstlerisch betrachtet. Die Festival-Eröffnung findet in der Telux
Weißwasser mit der monumentalen Video-und Klang-Installation statt. Sie
widmet sich den Metamorphosen der Lausitz, indem Historisches mit
Mythischem in die Gegenwart überführt wird. Zu erleben sind dabei alte
Glasbläsertechniken, Ballett-Einlagen, Spiel und Musik – kurz; die
Geschichte von Orpheus und Eurydike neu interpretiert.
Abstieg in die Unterwelt
Königssohn Orpheus erhielt einst von Apollon, dem Gott der Musik, eine
Lyra geschenkt, weil er als bester Sänger galt und alle Lebewesen und
Götter betörte. Doch als seine Ehefrau, Nymphe Eurydike, auf der Flucht
vor dem Vergewaltiger Aristaios floh, starb sie durch einen
Schlangenbiss. Orpheus stieg daraufhin in die Unterwelt, um durch Gesang
und Lyraspiel den Gott Hades zu bewegen, ihm seine Frau zurückzugeben.
Soweit die Sage. In Weißwasser wird sie partiell, an ungewöhnlicher
Stelle und auf außergewöhnliche Weise erzählt. Die Idee dahinter:
Innenräume nach außen projizieren. Zuschauer erleben so gleichzeitig
vier Szenen und Blickwinkel der Chronologie der Glasherstellung,
verwoben mit der Sage. „Wir wollen eine andere Welt zeigen, künstlerisch
frei interpretiert, inspiriert von den Gegebenheiten vor Ort“, erklärt
Aron Kitzig.
Unterlegt sind die Video-Sequenzen daher mit klassischer Musik, während
Prolog und Epilog eine Klang-Installation von Lenard Gimpel, der auf 32
Kanälen komponierte, sind. Komponist Paul Friedrich Frick, der bei den
Live-Aufführungen am Elektronik-Set sitzt, schuf zudem ein
elektronisches Requiem, für das selbst typische Glasgeräusche bei
Stölzle aufgenommen wurden. „Glasmacherei hat was Geheimes, Mystisches;
ist eine Art Metamorphose. Wie unsere Geschichte und der
Strukturwandel“, so Kitzig fasziniert. Seine Statisten lässt er nicht
sprechen, nur arbeiten. Roboterartig, bewacht von Höllenhunden und
Hades. Alle sind in Glasmacherkleidung und Dunkelheit. Nur
Lichtstreifen, von außen erzeugt, erhellen die „Hölle“, sorgen für
Ultrazeitlupen-Effekte, bevor das Stück in einem Arbeiteraufstand
gipfelt. „Ja, wir sind in einer düsteren Nummer, aber auch mit moderner
Musik. Wir kriegen das hin“, muntert Kitzig die Statisten auf. Unter
ihnen ist Lars Dreiucker, alias Höllenhund Kerbero. Der Berliner
Philosophie-Dozent ist in Weißwasser nicht nur Statist, sondern führt
auch eine öffentliche Gesprächsrunde. „Mal in dreckigen Klamotten, mal
im Anzug auftreten – das ist schon interessant“, bekennt der gebürtige
Lübbener.
Zukunftsmutmacher Tradition
„Vor allem hoffe ich aber, dass viele Leute zu den Aufführungen in
Weißwasser kommen. Denn unabhängig vom künstlerischen Aspekt wird der
Prozess der Glasherstellung auch durch Porträtaufnahmen, Livemusik,
Produktionsetappen für jedermann nachvollziehbar. Und die Installation
zeigt, dass aus der Tradition was für die Zukunft gestaltbar ist in der
Lausitz.“Telux Weißwasser: 25. September 17 Uhr, Intro ZwischenWelten
und 19.30 Uhr Eröffnung Lausitz-FestivalWeitere Termine: 26./ 27.
September, je 19 Uhr ZwischenWelten und 27. September, 16 Uhr, „Anderswo
her“ – Lars Dreiucker im Gespräch mit Christiane VossTickets (ab 5 Euro)
und mehr Informationen aufwww.lausitz-festival.eu
Quelle: Sächsische Zeitung, Ausgabe Weißwasser, vom
23.09.2020
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Regisseur
Aron Kitzig (rechts) weist die Statisten für die Dreharbeiten im
Gebäude der einstigen Hartglaswanne auf dem Telux-Gelände ein. Hier
entstand in nur knapp zwei Wochen eine Audio- und
Video-Installation, die zur Eröffnung des Lausitz-Festival zu sehen
ist
Foto: S. Larbig |
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