Verwirrung um die
Glasfachschule
Das geschichtsträchtige Gebäude soll erneut versteigert werden. Ob es
wirklich dazu kommt, ist fraglich.
Von Sabine Larbig
Für viele Weißwasseraner ist
die seit Juni 2004 ungenutzte und unter Denkmalschutz stehende
Glasfachschule in der Berliner Straße 1–7 mehr als ein Gebäude. Sie ist
Lebens- und Stadtgeschichte. Auf den Gebäudeerhalt hoffen auch Wolfgang
Hoyer, einstiger Lehrer und Schulleiter, sowie der Vorsitzende der
städtischen Denkmalkommission Günter Segger. Momentan mehr denn je. Denn
die Glasfachschule soll in Berlin versteigert werden.
Mindestens 128000 Euro – das ist der Startpreis, mit dem die
Ingenieurschule für Glastechnik der DDR am 23. März unter den Hammer
kommt. Zuletzt war die Immobilie im Stadtzentrum von Weißwasser im
Besitz von Peter Barwich, der sich viele Jahre erfolglos mühte, daraus
eine Seniorenresidenz zu machen. Nun wird die Schule als Objekt 70 auf
Seite 47 des aktuellen Auktionskatalogs der Deutschen
Grundstücksauktionen AG angepriesen. Ob es kommende Woche wirklich zur
Objektversteigerung kommt, ist aber unklar. Erst vor einigen Tagen
verkaufte Barwich die Immobilie an seine Lebensgefährtin. Noch steht sie
nicht als Eigentümerin im Grundbuch, ist nur ein Notarvertrag
unterzeichnet. „Weil wir als Stadt ein Vorkaufsrecht und Anspruch auf
Sicherungshypotheken haben, also Gläubiger sind, erhielt ich vom Notar
die Information über den kurzfristigen Verkauf“, erläutert Weißwassers
Oberbürgermeister (OB) Torsten Pötzsch gegenüber der Sächsischen
Zeitung. Aus diesem Grund – und um seine Ansprüche zu sichern – habe ein
anderer Gläubiger zudem die Absage der angesetzten Auktion beantragt.
Bei der Deutschen Grundstücksauktionen AG in Berlin weiß man davon
nichts. Bis gestern lagen dem Auktionshaus keinerlei Informationen vor,
dass die Glasfachschule aus der Versteigerung zurückgezogen werden soll.
Ob Versteigerung oder nicht – für Günter Segger ist das wenig
interessant. Wichtig ist ihm, dass die Immobilie nicht weiter
Spekulationsobjekt ist und verfällt. Er wünscht sich einen Eigentümer,
der sie belebt und denkmalgerecht saniert. „Die 1953 fertiggestellte
Glasfachschule Weißwasser ist eines der wenigen Zeugnisse typischer
DDR-Architektur der damaligen Zeit und birgt Einmaligkeiten wie
gravierte Fensterscheiben“, so Segger, den der Gebäudeverfall seit
Jahren schmerzt und unter dem die Skulpturengruppe „Kollegen beim
Glasschmelzen“ im Eingangsbereich ebenso wie der umgebende Park leiden.
Aus denkmalpflegerischer Sicht wäre es Segger am liebsten, wenn die
Stadt zum Eigentümer der Glasfachschule würde – oder ein großer Konzern
oder ein Amt. „Da könnte die Denkmalkommission bei der Sanierung mehr
Einfluss nehmen, damit der Denkmalstatus erhalten bleibt.“
Auf eine weitere Objektnutzung als öffentliche Einrichtung hofft auch
Wolfgang Hoyer, der 37 Jahre mit der Glasfachschule verbunden war.
„Gelände und Gebäude sind ideal für eine Außenstelle der Bergakademie
Freiberg oder ein Schulungszentrum“, sagt er. Schon früher hätten sich
die Studenten „mitten in der Stadt und doch im Grünen“ wohl gefühlt.
Derartige Überlegungen sind nicht neu. In Hoyers Zeit als Schulleiter
wurden bereits entsprechende Gespräche geführt. Damals durch das
Landratsamt des Niederschlesischen Oberlausitzkreises, das Eigentümer
war und zuletzt in der Berliner Straße das Berufliche Schulzentrum
betrieb. Weil Peter Barwich 2000 das Gebäude vom Kreis für 1,8 Millionen
D-Mark ersteigerte, zahlte der Kreis bis zum Berufsschulumzug 2004 in
die Jahnstraße monatlich 15000 Euro Miete an ihn, weiß Hoyer. „Doch
saniert hat er nichts.“ Auch die Versteigerungssumme blieb Barwich
schuldig, weshalb das Objekt 2005 erneut versteigert wurde. Die Stadt
Weißwasser bot 160000 – Barwich 40000 Euro mehr, die er diesmal auch
zahlte.
Nun schwebt zum dritten Mal der Auktionshammer über dem 1,5 Hektar
großes Areal samt Haupthaus mit Aula, Schulungsräumen, Küche,
Speisesaal, Jugendstilvilla. Wieder ist die Zukunft unsicher. Selbst
wenn Weißwasser zum Eigentümer würde, fehlt ein Nutzungskonzept. „Es ist
zudem nicht unsere Aufgabe, eine Immobilie zu verwalten“, so OB Pötzsch.
Doch die Stadt bemüht sich seit Jahren um Investoren mit Interesse am
Gebäudeerhalt. Erst diese Woche, so der OB, gab es Gespräche. Ein
Interessent habe kaufen wollen, sei aber von der Auktion überrascht
worden.
Quelle:
Sächsische Zeitung, Ausgabe Weißwasser, vom 15.03.2013
|
 |
Wolfgang Hoyer (links) und Günter Segger sorgen sich um die alte
Glasfachschule, die unter Denkmalschutz steht und verfällt. Foto:
André Schulze
Wolfgang Hoyer (links) und Günter Segger sorgen sich um die alte
Glasfachschule, die unter Denkmalschutz steht und verfällt.
Foto: André Schulze |
|